Wir fuhren insgesamt mehr 1500 km durch Deutschland, Österreich und Ungarn, um zu versuchen, die Grenze zur Ukraine zu passieren und Hunde zu retten. Organisiert wurde diese Reise ins Ungewisse von VagabonDog in Ungarn, zur Unterstützung reisten Notpfote Animal Rescue e.V., der Tierschutzverein Dormagen e.V. sowie der Tiernotruf e.V. an.

An der Grenze waren die Eindrücke anders als wir es in den Nachrichten gesehen hatten. Kein Chaos, kein Geschrei, keine Menschenmassen. Aber es waren auch kaum große Städte in der Region und die Zahl der Flüchtenden war hier einfach viel geringer. Zudem konnten wir die lange Autoschlange auf der ukrainischen Seite von unserem Standort zunächst auch nicht sehen. Ob wir die Grenze tatsächlich passieren würden, war zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Täglich änderten sich die Informationen, die uns erreichten und unser Vorhaben mal als unmöglich, dann aber wieder als machbar erscheinen ließen.

Mehr als drei Stunden dauerte es, bis unsere vier Transporter dank Timms diplomatischen Geschicks endlich von den Grenzbeamten durchgewunken wurden. Das Tierheim von Alexandra war kaum 2 km Luftlinie von der Grenze zu Ungarn entfernt, der Weg dorthin war jedoch etwas länger und die schlechten Straßen erschwerten die Zufahrt. Doch mit etwa 2,5 Tonnen Hunde- und Katzenfutter erreichten wir schließlich unseren Zielort, der in einer bisher nicht umkämpften Region lag.

Weitere zwölf Tonnen Tierfutter wurden von dem LKW, den wir am Mittwoch im Tierheim Dormagen beluden, in einem grenznahen Lager auf der ungarischen Seite abgeladen. Von dort kann Alexandra sich Nachschub holen (Frauen dürfen ja die Grenze passieren, Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht), um es selbst zu verfüttern oder im Land entsprechend zu verteilen. Weitere fünf Tonnen Futter mussten wir in Dormagen zurücklassen, denn mehr als etwa 14,5 Tonnen konnten wir bei der ersten Tour nicht mitnehmen. Daher bitten wir auch weiterhin um Eure Unterstützung und eben auch um Futterspenden an das Tierheim in Dormagen, damit der nächste LKW bald losfahren kann.

Vom Krieg war zu diesem Zeitpunkt in dieser Region nichts zu merken. Aber nur bis wir im ukrainischen Tierheim ankamen, wo bereits Dasha und Valentin auf uns warteten, die mit 25 Tierheimhunden vier Tage quer durch die Ukraine fuhren und hofften, uns tatsächlich, wie zuvor per WhatsApp besprochen, am vereinbarten Ort anzutreffen. Sie haben ihr Leben für diese Tiere aufs Spiel gesetzt und kaum hatten sie die Hunde übergeben, planten sie bereits ihre nächste Mission. Ich schämte mich für meine Angst die ich hatte, nachdem ich mich entschied in die Ukraine zu reisen. Auch wenn ich wusste, dass in dieser Gegend das Risiko verschwindend gering war, so beschloss ich doch in ein Land zu reisen in dem ein grausamer Krieg wütet. Und das machte mir zumindest in den Tagen zuvor große Angst. Aber als ich ihre Erzählungen hörte, kam mir meine Angst nur noch dumm und lächerlich vor.

Auch eine zweite Organisation wartete bereits vor Alexandras Tierheim. Sie übergaben uns sieben Bullis, Französische Bulldoggen und eine Englische Bulldogge. Es waren Tierschutzhunde, die irgendwann von ihren Menschen einfach abgegeben oder ausgesetzt wurden, weil sie krank, alt oder zu anstrengend wurden. Auch diese Leute hatten einiges riskiert, um uns die Hunde übergeben zu können. Wären diese tollen Menschen nicht gekommen, hätten wir Hunde aus dem Tierheim mitgenommen um Platz zu schaffen, damit Tiere aus den umkämpften Regionen nachrücken können. Doch Alexandra bat uns darum, zuerst die Neuankömmlinge zu übernehmen. Denn eine große Gruppe unterschiedlicher Hunde in ein bestehendes Rudel zu integrieren ist unter diesen Voraussetzungen nicht wirklich eine beneidenswerte Aufgabe.
So nahmen wir zu den 33 Hunden nur drei weitere aus dem Tierheim mit. Mehr war einfach nicht möglich. Alle Boxen waren belegt und wir hatten eigentlich wenig Hoffnung, mit so vielen Hunden über die Grenze zu kommen. Aber da war ja noch Timm, und natürlich schaffte er auch auf dem Rückweg das Unmögliche und wir brachten alle 36 Hunde nach Ungarn.

Natürlich war es damit nicht getan. Die Tiere kamen in ungarische Partnertierheime des Vereins Notpfote Animal Rescue e.V. und werden nach der erforderlichen Impftiterbestimmung schnellstmöglich nach Deutschland geholt. Weitere Futterlieferungen Richtung Ukraine und Rettungsmissionen von Tieren werden folgen. Dafür wurde bei dieser ersten Mission der Grundstein gelegt.

Neben unseren Transportern hatten wir auch noch einen Neunsitzer dabei. Der wurde von Thomas gefahren und er war es auch, der auf dem Rückweg eine Mutter mit zwei Kindern mitnahm, ebenso eine Frau mit Hund und eine ältere Dame, die mit ihren zwei Plastiktüten unterm Arm verloren in der Auffangstation stand. Sie alle kamen mit nach Deutschland. Ebenso wie die freundliche Frau, die mit ihrem Schäferhund geflüchtet war und die wahnsinnige Angst davor hatte, ohne ihren geliebten Hund an der Seite weiterreisen zu müssen. Doch das musste sie nicht, denn Tom und Babette von der Notpfote nahmen beide in ihrem Wagen mit und brachten sie zu Verwandten in Deutschland.

Dieser schreckliche Krieg veranlasste uns dazu, sehr weit zu fahren um so gesehen fast nichts zu erreichen. Fast nichts im Angesicht dessen, was dieser Krieg anrichtet. Aber fast nichts hat 36 Tieren eine Chance auf ein würdevolles Leben ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt, dass weitere folgen können. Fast nichts hat den Hunger einiger Tiere gelindert und Tierschützer mehrerer Länder zusammengeführt, um denen zu helfen, die unsere Hilfe so dringend benötigen. Es war fast nichts, aber es war alles, was wir geben konnten. Wenn Ihr uns fragt, ob wir wieder so einen weiten Weg auf uns nehmen würden, um fast nichts zu erreichen, so wäre unsere Antwort: JA! Und genau das wird passieren.

Ich danke der wundervollen Babette und Tom vom Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e.V. Ich danke Timm und Wiki von VagabondDog dafür, dass sie das scheinbar Unmögliche möglich gemacht haben. Ich danke Elke vom Tierheim Dormagen dafür, dass sie spontan eingesprungen ist, nachdem Coco, der ich sowieso für alles dankbar bin, erkrankte und nicht mitreisen konnte. Ich danke Christian, dem besten Kameramann und guten Freund, mit dem ich Seite an Seite schon so vielen Tieren helfen konnte. Ich danke Thomas, der mit seinem Neunsitzer gerade von der polnischen Grenze kam und Ukrainer zu ihrer Familie nach Warschau gebracht hatte, um sich uns dann spontan anzuschließen und wieder Menschen und Tieren zu Hilfe zu eilen. Ich danke der wundervollen Louisa, die immer zur Stelle ist, wenn Tiere Hilfe benötigen, die einfach die beste Freundin ist, die man sich vorstellen kann und die ganz nebenbei auch noch unsere Reise in den gezeigten Fotos festgehalten hat. Ich danke Euch, dass ich ein kleiner Teil dieser Mission sein durfte. Und selbstverständlich danke ich allen Menschen, die unsere Reise finanziell, mit Tierfutter und mit Sachspenden unterstützt haben. Ihr seid großartig.

Während wir mittlerweile im zumindest derzeit noch sicheren Deutschland angekommen sind, sind Dasha und Valentin wieder auf dem Weg in die umkämpften Gebiete, um noch mehr Tiere zu retten. Und ich kann nicht anders, als diesen beiden die größte Hochachtung entgegenzubringen, die ich jemals für einen Menschen verspürt habe.

Stefan Bröckling, 1. Vorsitzender Tiernotruf e.V.

Fotos ©Louisa Schlepper Fotografie